Die Impfquote liegt bei 74 Prozent. In keinem Bundesland sind anteilig so viele Menschen geimpft wie in Bremen. Dennoch liegt der Stadtstaat auch bei der Inzidenz in Führung. FOCUS Online erklärt die möglichen Gründe.
Es ist paradox: Obwohl Bremen bundesweit den größten Anteil an Geimpften aufweist, führt das Land aktuell die Liste der Inzidenzen an. In keinem anderen Bundesland liegt der Wert, welcher die Infektionen pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen angibt, über 100. FOCUS Online erklärt, wie es trotz hoher Impfquote zu einem solchen Infektionsanstieg kommen konnte.
Bremens Impfquote
Bremen steht bundesweit an der Spitze der Impfungen pro Bundesland. Ganze 74,8 Prozent der Einwohner sind dort vollständig geimpft, einfach sind es sogar 78,7. Dass das Land eine so hohe Impfquote aufweist, hat mehrere Gründe.
Der Senat für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz von Bremen erklärte FOCUS Online auf Nachfrage, dass diese vor allem auf drei Gründe zurückzuführen sei:
1. Direkte Ansprache
Direkt zu Beginn der Impfungen seien die Menschen mit erster Impfprioriät über mögliche Termine informiert worden. Diese hätten etwa per Post Termincodes erhalten und so ihre Impfung vereinbaren können. Damit hätten die Termine bereits binnen weniger Tage zur Verfügung gestanden.
2. Niedrigschwellige Angebote
Das Bundesland habe zudem temporäre Impfzentren eingerichtet, wenn in bestimmten Regionen die Inzidenzen besonders hoch waren. Auch mobile Impfteams gebe es. Durch sie seien seit Juni sogar Impfungen ohne Termin möglich.
3. Klare Kommunikation
Nicht nur die versandten Postcodes erleichterten den Zugang zu Impfung. Die Informationskampagne des Landes steht laut Website in sieben Sprachen zur Verfügung, um möglichst viele Bürger zu erreichen. Es gibt Informationen auf Arabisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Paschto, Persisch und auf Türkisch.
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Bremens Infektionsgeschehen
Nun könnte man bei einer derart hohen Impfquote im Gegenzug niedrige Infektionszahlen vermuten – stattdessen ist das Gegenteil der Fall. Mit einer Inzidenz von 112,8 steht Bremen am Dienstag ebenfalls an der Spitze aller Bundesländer. Der Stadtstaat meldete zuletzt 47 Neuinfektionen pro Tag.
In Bremerhaven liegt die Inzidenz am Dienstag sogar bei 285,9. Der Landkreis ist damit der bundesweit am stärksten von Corona Betroffene.
Die Erklärung für Bremens Paradoxon
Eine weitere Anfrage zur Frage, wie dieses Paradox zu erklären sei, beim Senat für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz blieb bislang unbeantwortet. Allerdings äußerten sich bereits Experten zu der Thematik und nannten mögliche Gründe:
1. Die Lage
So vermutet etwa Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut im Gespräch mit dem "Stern", dass einerseits die Lage Bremens ihren Teil zum Infektionsgeschehen beitragen könne – denn das Bundesland liegt an einem Hafen. “In Bremerhaven sind viele Seeleute aus verschiedenen Ländern unterwegs, die sich in Kneipen und anderswo unter die Leute mischen”, sagte der Wissenschaftler.
Vor wenigen Wochen wurde etwa ein Corona-Ausbruch auf einem Frachter in Bremerhaven bekannt, wie der Regionalsender "Buten und Binnen" berichtet. Aus diesem Grund entschloss sich die Stadt, Ausbrüche im Hafen nicht mehr bei der Berechnung der Inzidenz zu betrachten. Dennoch können Infektionen so weiter in die Bevölkerung getragen werden.
Allerdings kann Bremens Lage allein nicht für die Infektionszahlen verantwortlich sein. Immerhin gibt es weitere Hafenstädte, etwa Hamburg. Dort liegt die Inzidenz am Dienstag allerdings nur bei 54,1.
2. Das neue Schuljahr
Im Gespräch mit dem Regionalsender erklärte Bremens Stadtsprecher Volker Heigenmooser Anfang September zudem, dass der Infektionsanstieg wohl unter anderem auf Reiserückkehrer zurückzuführen sei. Zwar sind die Sommerferien in Bremen schon seit dem 1. September vorbei – womöglich bildeten sich dadurch aber Infektionsketten. Zumal Kinder, welche nun wieder zur Schule gehen, noch nicht gegen Corona geimpft werden können.
Wie ein Sprecher des Gesundheitsressorts "Buten und Binnen" vor einer Woche sagte, gehe der Großteil der Infektionen auf die 6- bis 9-Jährigen zurück. Bei Ihnen habe die Inzidenz zu diesem Zeitpunkt sogar bei 374 gelegen.
3. Die nachlassende Impfwirkung
Bremens Regionalsender nennt einen weiteren möglichen Grund für das Infektionsgeschehen: Der Impfschutz könnte bei einigen Menschen nachlassen. Die Zahl der Impfdurchbrüche steige, wie Virologe Andreas Dotzauer sagte. Bei Jüngeren sei der Anteil von 0,1 auf 0,3 Prozent gestiegen. Bei den älteren liege der Anteil sogar bei über 3 Prozent.
Da die Impfung vielen ein Sicherheitsgefühl gebe, missachteten diese teilweise die Regeln. Dotzauer sprach sich daher dafür aus, bei Menschen über 60 Jahren mit den Drittimpfungen zu beginnen.
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